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Der Raum für die Trainingseinheit

26. December 2014

Wo genau werden Trainingseinheiten durchgeführt? Warum werden bestimmte Menüs auf einem bestimmten Spielfeldausschnitt gemacht? Ein Blick auf das Training einer Bundesligamannschaft verrät die Gründe, die dahinter stecken.

Schauen wir uns das folgende Foto genauer an:

グラフィックス1

Foto 1 – Aufwärmung von Mainz, 4 gegen 4 plus 2, vor dem Spiel.

Wir versuchen in diesem Artikel anhand dieses Beispiels zu verstehen, warum diese Ballbesitzübung genau in diesem Raum durchgeführt wurde. Vereinfacht lässt sich die Übung folgendermaßen darstellen:

Mainz-aufwärmung

Grafik 1

Nun gilt es zu verstehen, warum diese Übung in diesem Raum realisiert wurde. Warum sind diese zwei Spieler (Geis und Baumgärtner) die neutralen Spieler (mit den blauen Leibchen)?

Um diese Frage zu antworten, müssen wir uns das folgende Foto genau ansehen:

グラフィックス2

Foto 2 – Eine Szene vom Spiel Leverkusen (rot) gegen Mainz (weiß)

Dieses Foto ist eine Szene aus dem Spiel Leverkusen gegen Mainz. Wir sehen hier, dass die zwei Spieler, die beim Aufwärmen die blauen Leibchen trugen (Geis und Baumgärtner), die Doppel-6er von Mainz 05 sind. Da sich ein 6er immer in den Zwischenräumen möglichst viel anbieten und den Ball verteilen muss, spielen die beiden beim Aufwärmen als neutrale Spieler, um ein Gefühl für die Schaffung von Überzahl zu bekommen. Bei der Organisation muss der Trainer die Spezifität jeder Position und Rolle präzise im Kopf haben.

Wie Roger Schmidts Leverkusen in dieser Szene beim Gegenpressing steht, sehen wir in der nächsten Graphik.

Possesion puls Gegenpressing und Posessiontraining

Grafik 2. Schema des Gegenpressings von Roger Schmidts Leverkusen

Hier wird klar, dass diese Zone im Spiel der exakt gleiche Ort wie beim Aufwärmungsspiel ist. Im Prinzip machen die anderen Bundesligamannschaften ähnliche Übungen. Hierfür gibt es einige Gründe.

  1. Der Spielstil in Deutschland tendiert zum schnellen vertikalen Passspiel direkt zum Sturm. Guardiola stellte einmal fest, dass in der Bundesliga eine Tradition des schnellen Konterspiels vorherrscht, was jedes Spiel für ihn schwerer als in der spanischen Liga macht. Deutsche Mannschaften versuchen zuerst den Raum in der gegnerischen Hälfte ganz simpel zu erobern.

  2. Traditionell spielten deutsche Mannschaften (sowohl im Profi- als auch im Amateurbereich) von Außen über die „Long Line“, d.h. entlang der Linien. Es war selten, dass eine Mannschaft durch Stellungsspiel die gegnerische Abwehrlinie im Mittelfeld durcheinander brachte. Auch heute verlagern deutsche Mannschaften das Spiel vornehmlich in die Zone, die in der Grafik rot markiert ist. Wie diese Zone im gegnerischen Raum durch Doppelpass oder Dribbling bzw. Steilpass gut zu erreichen ist, war über lange Zeit hinweg der Schwerpunkt der Taktik (Siehe Artikel über den halben Raum).

  3. Nachdem der BVB unter Klopp auf sensationelle Weise das Gegenpressing in die Mode gebracht hat, änderte sich das Paradigma in der europäischen Fußballwelt. Wie wir anhand des Schemas von Roger Schmidt sehen, liegt diese rote Zone nicht mehr in der gegnerischen Seite sondern in der eigenen Hälfte. Um diesen atemlosen Druck beim gegnerischen Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte zu üben, bringen die Mannschaften von Trainern wie Pep, Schmidt oder Klopp den Ball absichtlich nach Außen, damit sie die Räume beschränken können. Das heißt, jetzt hat das Ballbesitzspiel eine andere Bedeutung als früher. Jetzt geht es darum, wie sich eine Mannschaft dem Gegenpressing entzieht, um den Ball in der eigenen Hälfte zu halten und in den offenen Raum hinter der gegnerischen Mannschaft zu spielen (Siehe Artikel über Gegenpressing).

In der gegenwärtigen Fußballwelt wird die Hirnforschung immer mehr ins Training integriert (siehe den Artikel Die diferenzielle Lernmethode oder die deutsche Zusammenfassung des Buchs Was ist die Taktische Periodisation?, hier als PDF erhältlich). Thomas Tuchel erläuterte, wie er sein Training aufbaute. Es handelt sich um genau dieselbe Methode, auch wenn er sich nicht mit klaren Worten geäußert hat (siehe Video). Bei Mainz lebt sein Erbe noch fort.

Wenn das Training die Vorbereitung fürs Spiel ist und die Situation im kommenden Spiel spiegelt, um die Aktionen der eignen Mannschaft zum Erfolg zu bringen, dann muss der Trainer analysieren und vorhersehen, in welchen Spielzonen eine Aktion durchgeführt wird. Dadurch müssen sie die Trainingsfelder, die Platzierung von Minitoren, die Spieleranzahl und die Regel des Übungsspiels (z.B. 2 Ballkontakte usw.) genau bestimmen, weil die Belastung fürs Gehirn leichter und die Energie für die Konzentration sparsamer und effektiver wird, wenn die Spieler ihre Spielweise vorher am tatsächlichen Spielort (Spielzone) schon körperlich eingeübt und dabei wahrgenommen haben, wo sie was zu machen haben.

Eine effektive Trainingseinheit kann man sich ohne einen Bezug zum eigentlichen Spiel nicht vorstellen. Der Trainer braucht also unbedingt eine konkrete Vorstellung über das bevorstehende Spiel und eine korrekte Analyse der vergangenen Spiele der eignen Mannschaft und des Gegners. Dadurch kann er erst den Stoff für den Trainingsaufbau haben. In diesem Sinne könnte man sagen: Nicht der Trainer trainiert die Spieler, sondern das Fußballspiel an sich trainiert die Mannschaft.